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Mittwoch, 06 Juni 2012 14:26

Exponat des Monats Juni 2012

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Ein besonders schönes und wertvolles Objekt wurde jetzt dem Regionalmuseum Wolfhager Land übereignet: 2 große und zwei kleine Notgeldalben. Nach der ersten Durchsicht kann man davon ausgehen, dass über 1500 Notgeldscheine der unterschiedlichsten Art in ihnen aufbewahrt sind. Nach Städten und Gemeinden sorgfältig geordnet, steckte sie Hermann Scholze (verstorben 1982) in die eigens dafür vorgesehenen Alben. Seine Schwiegertochter Heide Scholze hat als Museumsmitglied nach dem Tod ihres Mannes die einzigartige und sehr eindrucksvolle Sammlung dem Regionalmuseum vermacht.

http://www.hna.de/bilder/2012/05/31/2340003/1974434444-sollte-inflation-schuetzen.5,c;32e;0;mLi;q0U;1FafV6.jpg

 

In Deutschland gab es seit dem Kriegswendejahr 1917 bis 1923 eine Inflation, die dazu führte, dass es immer weniger Münzen gab. Sie wurden gehortet, als man erkannte, dass ihr Metallwert über dem Geldwert lag. Städte, Gemeinden und Betriebe ließen deshalb Notgeldscheine aus Papier als Ersatz für fehlendes Kleingelds drucken und in Umlauf bringen. Ihre Herausgabe erfolgte anlässlich einer besonderen Festlichkeit oder eines Jubiläums. Ihre Gültigkeit war oft nur auf kurze Zeit beschränkt. Mit der Einführung der Rentenmark im Oktober 1923 verschwand das Notgeld und wurde meistens als Altpapier verwertet.

Bereits 1917 erkannte man, dass die Notgeldscheine mit schönen Motiven und künstlerisch gestaltet besser angenommen würden. Hergestellt wurden Einzelstücke, aber häufig auch Serien, oftmals in sehr modern anmutender Comic- Form. Ihr Wert betrug meistens zwischen 20 und 50 Pfennige, selten bis 3 Reichsmark. Die unterschiedlichsten Motive waren bis ins kleinste Detail sehr sorgfältig und liebevoll gestaltet: Historische Ereignisse, bedeutende Persönlichkeiten, herausragende Bauten, touristische Sehenswürdigkeiten, Auszüge aus hoher Literatur, aber auch triviale Lebensweisheiten, meistens in Verbindung mit der Gemeinde. Trotz der damaligen Notzeit wurden oft humorvolle Begebenheiten bis hin zu beißender Satire auf schwere Zeit zu Ausdruck gebracht. Häufig dienten die Notgeldscheine der historischen Erinnerung, der politischer Propaganda oder auch nur der touristischen Werbung.

Der Druck erfolgte schon damals in der Hoffnung auf die Sammelleidenschaft der Bürger. Hermann Scholze gehörte dabei wohl mit seinen Alben zu den Engagiertesten. Heute ist eine Sammlung wie diese sicher selten zu finden. Wir planen deshalb, sie in einer Abteilung des Museums, dem Sparkassenmuseum, für alle Besucher dauerhaft zu präsentieren.

Gerade wurde berichtet, dass die Abschaffung der kleinen Cent-Münzen in Europa erwogen wird, weil die Materialkosten den Wert des Geldes übersteigen. Könnte man da nicht die den Deutschen so lieb gewordenen Münzen durch attraktive Notgeldscheine ersetzen?

 

Gelesen 9305 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 06 Juni 2012 14:50